Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid
Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid
Vom 16. Mai 1950
Gesamtausgabe in der Gültigkeit vom 07.12.2005 bis 31.12.2011 Stand: zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. November 2005 (GVBl. I S. 769)
I. Volksbegehren
§ 1 (1) Volksbegehren nach Artikel 124 der Verfassung unterliegen dem in diesem Gesetz geregelten Zulassungs- und Eintragungsverfahren.
(2) Ein Volksbegehren kann auf Erlaß, Aufhebung oder Änderung eines Gesetzes gerichtet sein.
§ 2 (1) Der Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens ist schriftlich bei dem Landeswahlleiter einzureichen.
(2) Der Antrag muß
a) einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf enthalten,
b) die Unterschriften von mindestens drei vom Hundert der bei der letzten Landtagswahl Stimmberechtigten tragen. Das Stimmrecht der Unterzeichner ist durch eine Bestätigung nachzuweisen, die von der Gemeindebehörde des Wohnortes unentgeltlich zu erteilen ist,
c) bis zu drei Vertrauenspersonen und deren Stellvertreter bezeichnen. Sie sind zur Entgegennahme behördlicher Mitteilungen und Entscheidungen sowie zur Abgabe von Erklärungen der Landesregierung gegenüber ermächtigt.
§ 3 (1) Die Landesregierung beschließt binnen eines Monats über den Zulassungsantrag. Der Beschluß kann jedoch bis auf die Dauer von drei Monaten zurückgestellt werden, wenn binnen eines Monats der beantragte Gesetzentwurf beim Landtag eingebracht ist.
(2) Dem Zulassungsantrag ist stattzugeben, wenn er die Voraussetzungen des § 2 erfüllt und den Bestimmungen der Verfassung entspricht, es sei denn, daß im Laufe des letzten Jahres, zurückgerechnet vom Tage des Eingangs des Zulassungsantrages bei der Landesregierung ab, auf einen sachlich gleichen Antrag bereits ein Volksbegehren zustande gekommen, ein Volksentscheid aber erfolglos geblieben ist. Die Ausschlußfrist beträgt zwei Jahre, wenn ein früheres derartiges Begehren mangels Zustimmung der erforderlichen Zahl von Stimmberechtigten nicht zustande gekommen ist.
§ 4 Der Beschluß der Landesregierung ist von dem Landeswahlleiter den Vertrauenspersonen zuzustellen. Gegen den die Zulassung versagenden Beschluß steht den Vertrauenspersonen das Recht der Beschwerde an den Staatsgerichtshof zu. Die Beschwerde ist binnen zwei Wochen bei dem Landeswahlleiter schriftlich einzulegen.
§ 5 (1) Wird dem Zulassungsantrag stattgegeben, so hat der Landeswahlleiter die Zulassung der Listenauslegung nebst dem dem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzentwurf unter Mitteilung des Namens, des Berufs oder Gewerbes und der Anschrift der Vertrauenspersonen und ihrer Stellvertreter im Staats-Anzeiger zu veröffentlichen. Dabei setzt der Landeswahlleiter Beginn und Ende der Frist zur Eintragung in die zur Auslegung zugelassenen Listen fest. Die Frist soll vierzehn Tage betragen und in der Regel die fünfte und sechste Woche nach der Veröffentlichung umfassen.
(2) Der Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens kann bis zur Veröffentlichung zurückgenommen werden. Die Zurücknahme erfolgt durch schriftliche Erklärung der Vertrauenspersonen an den Landeswahlleiter.
§ 6 Stimmberechtigte, die einem Volksbegehren zustimmen wollen, müssen sich in die von den Gemeindebehörden ausgelegten Listen eintragen.
§ 7 (1) Die Beschaffung der Eintragungslisten und ihre Versendung an die Gemeindebehörden ist Sache derjenigen, die das Volksbegehren beantragen.
(2) Die Gemeindebehörden sind verpflichtet, ordnungsmäßige Eintragungslisten, die ihnen binnen vier Wochen nach der Veröffentlichung der Zulassung im Staats-Anzeiger übergeben werden, während der von der Landesregierung festgesetzten Eintragungsfrist zu den üblichen Amtsstunden oder zu anderen mit den Vertrauenspersonen oder deren Beauftragten zu vereinbarenden Tageszeiten sowie an Samstagen und Sonntagen zu besonders festgesetzten Stunden zur Eintragung bereitzuhalten.
(3) Eintragungsfrist, Auslegestellen und Auslegezeiten sind durch die Gemeindebehörden in ortsüblicher Weise öffentlich bekanntzugeben. Dabei ist der Wortlaut des dem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzentwurfes mitzuteilen und darauf hinzuweisen, daß alle stimmberechtigten Personen, die dem Volksbegehren zustimmen wollen, dies durch Eintragung in die ausgelegten Listen tun müssen.
§ 8 (1) Eintragungsberechtigt ist, wer am Tag der Eintragung wahlberechtigt zum Landtag ist.
(2) Zur Eintragung ist in einer Gemeinde nur zugelassen,
a) wer dort zu Beginn der Eintragungsfrist seinen Wohnort hat und in das Wählerverzeichnis eingetragen ist, es sei denn, daß sein Wahlrecht verlorengegangen ist oder während der Eintragungsfrist ruht,
b) wer dartut, daß er in der Gemeinde wahlberechtigt ist.
(3) Die Eintragung geschieht eigenhändig. Erklärt ein Eintragungsberechtigter, daß er nicht schreiben könne, so ist die Eintragung von Amts wegen unter Vermerk dieser Erklärung vorzunehmen.
(4) Die Eintragung kann nur in der Gemeinde erfolgen, in der der Berechtigte zu Beginn der Eintragungsfrist seinen Wohnort hat.
(5) Die Vertrauenspersonen haben das Recht, während der Einzeichnungsfrist die Listen einzusehen.
§ 9 Ungültig sind Eintragungen, die
a) unleserlich oder unvollständig sind,
b) von Personen stammen, die nach § 8 nicht eintragungsberechtigt gewesen sind,
c) nicht in ordnungsgemäße Listen vorgenommen sind,
d) nicht rechtzeitig vorgenommen worden sind.
§ 10 (1) Gegen die Ablehnung der Entgegennahme von Eintragungslisten steht den Vertrauenspersonen oder ihren örtlichen Beauftragten, gegen die Ablehnung der Zulassung der Eintragung und gegen die Versagung eines Eintragungsscheines dem Betroffenen der Einspruch zu. Der Einspruch ist binnen drei Tagen bei der Gemeindebehörde anzubringen.
(2) Ergeht die dem Einspruch stattgebende Entscheidung erst während oder nach Ablauf der Eintragungsfrist, so ist die Eintragungsliste, deren Entgegennahme abgelehnt war, entsprechend länger zur allgemeinen Eintragung auszulegen oder der Eintragungsberechtigte entsprechend länger zur Eintragung in eine Nachtragsliste zuzulassen. In einem auf Einspruch erteilten Eintragungsschein ist der Zeitpunkt, bis zu dem die Eintragung zulässig ist, zu vermerken.
§ 11 Die Gemeindebehörden schließen nach Ablauf der Eintragungsfrist die Eintragungslisten und nach Entscheidung der letzten Verfahren die Nachtragslisten ab. Die kreisfreien Städte übersenden die Listen unverzüglich dem Landeswahlleiter, die kreisangehörigen Gemeinden unverzüglich dem Landrat, der sie gesammelt spätestens binnen einer Woche nach Ablauf der Eintragungsfrist dem Landeswahlleiter zuleitet. Dieser ermittelt die Zahl der gültigen Unterschriften und prüft, ob bei dem Volksbegehren die in der Verfassung und diesem Gesetz nebst seinen Ausführungsbestimmungen gegebenen Vorschriften beachtet sind. Er führt hierüber einen Beschluß des bei den letzten Landeswahlen gebildeten Landeswahlausschusses herbei und übergibt die Verhandlungen samt den Unterlagen der Landesregierung.
§ 12 (1) Das Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn ihm ein Fünftel der Stimmberechtigten zugestimmt hat. Die Landesregierung prüft unverzüglich, ob dies der Fall ist.
(2) Als Zahl der Stimmberechtigten gilt die bei der letzten Landtagswahl im Lande amtlich ermittelte Zahl der Wahlberechtigten.
§ 13 Die Landesregierung veröffentlicht das Ergebnis der Prüfung spätestens binnen sechs Wochen nach Abschluß des Volksbegehrens im Staats-Anzeiger. Der Landeswahlleiter stellt es den Vertrauenspersonen zu.
§ 14 Erklärt die Landesregierung das Volksbegehren für nicht rechtswirksam zustande gekommen, so sind die Vertrauenspersonen berechtigt, die Entscheidung des Staatsgerichtshofes zu beantragen. Der Antrag ist binnen vier Wochen nach Zustellung des Prüfungsergebnisses schriftlich bei dem Landeswahlleiter einzureichen. Der Antrag kann nur darauf gestützt werden, daß die vorgeschriebene Zahl der Unterschriften erreicht sei oder daß bei der Vorbereitung oder der Durchführung des Volksbegehrens Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien, die auf das Ergebnis von Einfluß gewesen sein könnten.
§ 15 (1) Ist das Volksbegehren zustande gekommen, so hat die Landesregierung binnen zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Ergebnisses im Staats-Anzeiger den dem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzentwurf unter Darlegung ihres Standpunktes dem Landtag zu unterbreiten.
(2) Der Landtag hat innerhalb eines Monats seit der Unterbreitung darüber abzustimmen, ob der dem Volksbegehren zugrunde liegende Gesetzentwurf unverändert zum Gesetz erhoben werden soll. Faßt der Landtag innerhalb der vorgesehenen Frist keinen Beschluß, so gilt dies als Ablehnung.
II. Volksentscheid
§ 16 (1) Der Volksentscheid findet statt, wenn der Landtag den dem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzentwurf nicht unverändert zum Gesetz erhebt. Das gleiche gilt, wenn der Landtag nach Einspruch der Landesregierung ( Artikel 119 der Verfassung) das Gesetz nicht binnen eines Monats seit Zugang der Einspruchsbegründung mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder beschließt.
(2) Binnen zwei Wochen nach Verkündung eines Gesetzes, das nach der Unterbreitung eines Gesetzentwurfs auf Grund eines in einem rechtswirksamen Volksbegehren gestellten Vorlegungsverlangens ergangen ist, steht den Vertrauenspersonen das Recht der Anrufung des Staatsgerichtshofes zu. Der Antrag kann nur darauf gestützt werden, daß das verkündete Gesetz mit dem dem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzentwurf nicht übereinstimme.
§ 17 (1) Im Volksentscheid wird über die Annahme oder Ablehnung des begehrten Gesetzes abgestimmt.
(2) Hat der Landtag den dem Volksbegehren zugrunde liegenden Gesetzentwurf mit Änderungen angenommen, so ist im Volksentscheid darüber abzustimmen, ob das begehrte Gesetz an Stelle des vom Landtag beschlossenen Gesetzes treten soll.
(3) Sind dem Landtag mehrere Volksbegehren über den gleichen Gegenstand unterbreitet worden und hat der Landtag einem der Begehren entsprochen, so ist über jeden anderen der begehrten Gesetzentwürfe ein Volksentscheid darüber herbeizuführen, ob er an die Stelle des vom Landtag beschlossenen Gesetzes treten soll.
§ 18 (1) Der Volksentscheid hat binnen zwei Monaten nach Einbringung des Gesetzentwurfes beim Landtag (§ 15 Absatz 1) stattzufinden.
(2) Die Landesregierung bestimmt als Tag der Abstimmung einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag. Sie gibt den Termin unverzüglich bekannt und veröffentlicht ihn gleichzeitig mit dem Wortlaut des Volksbegehrens sowie dem Aufdruck des Stimmzettels im Staats-Anzeiger.
§ 19 Auf das Verfahren bei Volksentscheiden finden die Vorschriften des für die Wahlen zum Landtag geltenden Wahlgesetzes und der Wahlordnung entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus diesem Gesetz und den hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen etwas anderes ergibt.
§ 20 (1) Die Abstimmung erfolgt unter Wahrung des Abstimmungsgeheimnisses und unter Verwendung amtlich hergestellter Stimmzettel.
(2) Der Stimmzettel lautet nur auf "Ja" und "Nein", Zusätze sind unzulässig.
(3) Werden gleichzeitig mehrere Fragen zur Abstimmung gebracht, so lautet der Stimmzettel für jede einzelne Frage auf "Ja" und "Nein".
§ 21 Ungültig sind Stimmen, wenn der Stimmzettel
als nicht amtlich hergestellt erkennbar ist,
keine Kennzeichnung enthält,
den Willen des Abstimmenden nicht zweifelsfrei erkennen lässt,
einen Zusatz oder Vorbehalt enthält,,
im Falle einer Abstimmung nach § 17 Absatz 3 mehrere mit "Ja" beantwortete Fragen enthält.
§ 22 (1) Das Gesetz ist angenommen, wenn die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen auf "Ja" lautet. Gleichheit der Stimmen für die Annahme und Ablehnung eines Gesetzentwurfes gilt als Ablehnung.
(2) Sind zwei Gesetzentwürfe, deren Inhalt nicht miteinander vereinbar ist (§ 17 Abs. 3), zur Abstimmung gestellt und nach Absatz 1 angenommen, so gilt der Gesetzentwurf als angenommen, für den die größere Zahl von Ja-Stimmen abgegeben ist. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, das der Landeswahlleiter in einer Sitzung des Landeswahlausschusses zieht.
§ 23 (1) Der Landeswahlausschuß stellt das Ergebnis der Abstimmung fest. Der Landeswahlleiter veröffentlicht es unverzüglich im Staats-Anzeiger.
(2) Das Abstimmungsergebnis kann durch Antrag beim Staatsgerichtshof angefochten werden. Der Antrag ist binnen einem Monat nach Veröffentlichung des Ergebnisses im Staats-Anzeiger zu stellen.
§ 24 (1) Ist ein Gesetz durch Volksentscheid zustande gekommen, so hat es die Landesregierung binnen zwei Wochen mit dem Hinweis zu verkünden, daß das Gesetz durch Volksentscheid beschlossen worden ist. Die Frist beginnt mit dem Ablauf der Einspruchsfrist und im Falle des Einspruchs mit der Verkündung der Entscheidung des Staatsgerichtshofes.
(2) Wenn im Volksentscheid der begehrte Gesetzentwurf mit 75 oder mehr vom Hundert der abgegebenen gültigen Stimmen abgelehnt worden ist, findet die Vorschrift des § 3 Absatz 2 Satz 2 entsprechende Anwendung.
§ 25 Ist auf eine gemäß § 23 Absatz 2 erfolgte Anfechtung hin eine Abstimmung durch den Staatsgerichtshof ganz oder teilweise für ungültig erklärt worden, so ist entsprechend den Vorschriften des für die Wahlen zum Landtag geltenden Wahlgesetzes über die Nach- oder Wiederholungswahl zu verfahren.
III. Schlußbestimmungen
§ 26 (1) Die Kosten der Herstellung der Eintragungslisten für das Volksbegehren und ihre Versendung an die Gemeindebehörden fallen den Antragstellern zur Last.
(2) Für die Erstattung der den Gemeinden und Kreiswahlleitern durch Volksbegehren und Volksentscheid entstehenden notwendigen Ausgaben gelten die Bestimmungen des Landtagswahlgesetzes und der Landeswahlordnung entsprechend.
§ 27 Der Minister des Innern erläßt die Bestimmungen zur Ausführung dieses Gesetzes. Für die gleichzeitige Durchführung von Volksentscheiden mit Kommunal-, Landtags-, Bundestags- oder Europawahlen kann er Bestimmungen treffen, die zur Anpassung an das jeweilige Wahlrecht erforderlich sind.
§ 28 Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.
§ 29 Außer-Kraft-Treten Dieses Gesetz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2011 außer Kraft.
(Quelle: http://www.rv.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/hqa/page/bshesprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=33&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-VoBegGHE1950rahmen:juris-lr00&doc.part=X&doc.price=0.0&doc.hl=1)